Interview mit Prof. Karl Max Einhäupl und Fabian Kaufmann Sektoren und Grenzen überwinden

Zugehörige Themenseiten:
Integrierte Versorgung & Transsektorale Zusammenarbeit

Als erster großer Vor-Ort-Kongress war der Hauptstadtkongress in der Corona-Pandemie mit seinen 500 Teilnehmenden und v.a. dem Abschied vom Gründerehepaar etwas Besonderes. HCM hat mit dem neuen Kongresspräsidenten Prof. Karl Max Einhäupl und dem Vorsitzenden der Geschäftsführung des Springer Medizin Verlages sowie Geschäftsführer des HSK-Veranstalters WISO S.E. Consulting, Fabian Kaufmann, das Event Revue passieren lassen und um einen Ausblick gebeten.

Der Hauptstadtkongress richtet sich neu aus: Zukünftig wird es neben dem neuen Eventteam auch inhaltliche Veränderungen geben. Welche das sein werden, verraten Fabian Kaufmann und Prof. Karl Max Einhäupl im Interview mit HCM. Das Bild zeigt Vertreter und Vertreterinnen des bisherigen und neuen HSK-Veranstaltungsteams. – © WISO/Susanne Schmidt-Dominé

Dr. Ingrid Völker und Ulf Fink, Senator a.D., haben aus einem kleinen Krankenhauskongress in den vergangenen Jahrzehnten eine Institution und Marke gemacht: den Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit (HSK). Dort trifft sich, wer Rang und Namen in der nationalen, aber auch internationalen Gesundheitswirtschaft hat. Hier treffen sich nicht nur Politik, Wissenschaft und Wirtschaft aufeinander, sondern auch alle Berufsgruppen – seit jeher im Sinne der sektorenübergreifenden Zusammenarbeit. Im Juni 2021 verabschiedete sich das Gründerehepaar offiziell vom operativen Kongressgeschäft. Einen ausführlichen Nachbericht zum Event-Highlight 2021 finden Sie mit einem Klick hierauf.

Bereits zum 1. Januar 2018 stieg die zur Verlagsgruppe Springer Nature gehörende Springer Medizin Verlag GmbH bei der Veranstalterin des Hauptstadtkongresses, der WISO S.E. Consulting GmbH, ein. 2021, drei Jahre später, erfolgte nun die offizielle Übergabe auf der Bühne des HSK im traditionellen Umfeld, dem CityCube in Berlin. Nach 23 Jahren gab es nun einen Wechsel an der Spitze: Ulf Fink hat die Kongresspräsidentschaft an den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Charité, Prof. Dr. Karl Max Einhäupl, übergeben. Die Geschäftsführung von WISO hat Fabian Kaufmann, Geschäftsführer des Springer Medizin Verlages, gemeinsam mit Claudia Küng, Falk Miekley, Direktor Springer Medizin Verlag GmbH, und Guido Pschollkowski, Kongressleiter, bisher Prokurist bei WISO, übernommen.

HCM hat stellvertretend für das neue Kongressteam mit Prof. Einhäupl und Fabian Kaufmann über den vergangenen Kongress und wichtige Weichen für den künftigen HSK gesprochen.

Herr Kaufmann, Sie haben in diesem Jahr erstmals nach der Übernahme 2018 durch den Springer Medizin Verlag den HSK eröffnet, das Gründerehepaar Ulf Fink und Dr. Ingrid Völker verabschiedet und den ersten großen Vor-Ort-Kongress in Deutschland in der Corona-Pandemie abgehalten. Ein besonderes Jahr für Sie?

Kaufmann: Das Jahr 2021 war für den Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit eine echte Zäsur: Ein hybrider Kongress mit limitierter Teilnehmerzahl, einem aufwändigen Testverfahren und über 90 digitalen Veranstaltungen waren absolutes Neuland, Kongresspräsidentschaft und Kongressleitung haben gewechselt: Da waren dicke Bretter zu bohren! Ich glaube aber, es ist unter dem Strich wirklich gut gelungen! Das neue HSK-Team setzt die Tradition des HSK fort, wird aber auch neue Schwerpunkte und Akzente setzen. Neue Themen, neue Inhalte, neue Formate und neue Akteure haben sich während der Corona-Pandemie herausgeschält, auch das Publikum will Neues erfahren und ist anspruchsvoller geworden. Diesen Anforderungen stellen wir uns.

Wie viele HSK haben Sie bereits erlebt? Gibt es eine HSK-Erinnerung, die Sie geprägt hat?

Kaufmann: Ich selber habe den Hauptstadtkongress als Besucher bereits viermal erleben dürfen, bevor wir als Springer Medizin 2018 involviert waren. Abgesehen von dem Feueralarm 2014 und vielen außergewöhnlichen und inspirierenden Referenten und Veranstaltungen muss ich sagen, dass mich dieses Jahr definitiv am meisten beeindruckt hat. Nach einem Jahr, in dem der HSK nicht als Präsenzveranstaltung möglich war, stimmt es mich für die Zukunft positiv zu sehen, wie hoch das Interesse an persönlichem und fachlichem Austausch war und unter welchen Bedingungen dies ermöglicht wurde. Das bestätigt unsere Entscheidung, uns zu investieren.

„Das Niveau des HSK zu toppen wird schwierig werden.“ Prof. Karl Max Einhäupl

Herr Professor Einhäupl, auch für Sie dürfte der HSK in diesem Jahr etwas Besonderes gewesen sein. Wie haben Sie das Event erlebt?

Einhäupl: Es war eine große Herausforderung, dass wir aufgrund der Pandemie bis circa eine Woche vor der Veranstaltung nicht genau wussten, ob wir einen Vor-Ort-Kongress anbieten können. Aber wir haben es geschafft und die erste große Veranstaltung mit mehr als 500 Teilnehmenden in Berlin  – und weit mehr in digitaler Erweiterung – auf die Beine gestellt. Wir haben es sogar bis in die Tagesschau geschafft (lacht).  

Wie kam es dazu, dass Sie das Amt von Ulf Fink übernommen haben?

Einhäupl: Ulf Fink hat mich einfach gefragt, ob ich dieses Amt übernehmen möchte. Das hat mich zunächst überrascht und ich war unsicher, ob ich das Angebot annehmen möchte. Aber die Kongresspräsidentschaft des wichtigsten Gesundheitsmanagement-Kongresses in Deutschland muss man annehmen – es ist eine großartige Aufgabe, die nichts mit Rentnerdasein zu tun hat. Ich freue mich, dass ich meine Expertise und Kontakte beisteuern kann. Aber das Niveau des HSK zu toppen, wird schwierig werden, auch wenn es sicherlich die eine oder andere Veränderung geben wird.

Dr. Völker hat in ihrer Abschiedsrede gesagt, der HSK ist wie ein Kind für sie, und sie möchte, dass es wächst und sich weiterentwickelt. Wie werden Sie das angehen?

Kaufmann: Ich verstehe das Bild, das transportiert wird, würde aber den HSK eher als pubertierenden Jugendlichen bezeichnen. Spaß beiseite, wir werden zielgerichtet mit speziellen Berufsgruppen und Wirtschaftszweigen in Gespräche eintreten, die bisher eher mit dem Kongress „gefremdelt“ haben. Der Kongress bietet ja derartig viele Möglichkeiten, sich einzubringen, Ideen zu diskutieren und Konzepte umzusetzen – mit anderen Worten „kreativ zu sein“ – daher muss es darum gehen, diese Möglichkeiten aufzuzeigen. „Mitmachen“ ist also die Devise für die Zukunft.

„Der HSK sollte noch mehr Anstöße geben, die Sektorengrenzen zu überwinden.“ Fabian Kaufmann

Zweiter Wunsch von Dr. Völker war die weitere Förderung der sektorenübergreifenden Zusammenarbeit. Auch ein Ziel für Sie?

Kaufmann: Ich meine, dass der HSK noch mehr Anstöße geben sollte, die Sektorengrenzen im deutschen Gesundheitswesens zu überwinden. Zumindest da, wo es nottut. Denn von wo aus, wenn nicht vom HSK, sollte so ein Impuls ausgehen: Hier sind ja schon alle „Sektoren“ des Gesundheitswesens mit an Bord – es bedarf eben noch einer gemeinsamen Strategie, eines gemeinsamen gesundheitspolitischen Impulses. Das ist sicherlich eine spannende Herausforderung für die nächsten Jahre, einen solchen Impuls herbeizuführen. Aber wir sind uns dessen bewusst und werden das schaffen!

Einhäupl: Wir werden sicher auch internationaler werden und die internationale Gesundheitsszene stärker in den Fokus nehmen. Außerdem werden wir noch stärker die Kontroverse suchen und mehr in die Pro-und-Contra-Diskussion gehen. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass wir Studierende und den medizinischen Nachwuchs stärker einbinden und Know-how in Management und Digitalisierung transportieren werden.

Einen ersten Schritt in die Internationalisierung bzw. Europäisierung ist Ursula von der Leyen mit ihrer Rede auf diesem Kongress bereits gegangen. Es wird also mehr davon geben?

Einhäupl: Richtig. Denn das Gesundheitsmanagement kann dazu beitragen, Europa weiter zu verbinden. Wie Frau von der Leyen gesagt hat: Gesundheit ist eine globale Aufgabe, bei der Europa als Schrittmacher und Vorbild agieren kann. Dass die einzelnen Länder so unterschiedliche Gesundheitssysteme und damit verschiedene Versorgungsstrukturen haben, kann dabei ein großer Vorteil sein, wenn man die Unterschiede nutzt, um voneinander zu lernen.

  • Bild 1 von 4
    © WISO/Susanne Schmidt-Dominé
    Dr. Ingrid Völker und Ulf Fink wurden auf dem Hauptstadtkongress 2021 feierlich als Gründer-Ehepaar verabschiedet.
  • Bild 2 von 4
    © WISO/Susanne Schmidt-Dominé
    Der neue HSK-Kongresspräsident, Prof. Karl Max Einhäupl (links), mit Dr. Ingrid Völker und Ulf Fink (bisheriger Kongresspräsident) und Claudia Küng von der Geschäftsführung WISO S.E.
  • Bild 3 von 4
    © WISO/Susanne Schmidt-Dominé
    Fabian Kaufmann, Vorsitzender der Geschäftsführung des Springer Medizin Verlages sowie Geschäftsführer des HSK-Veranstalters WISO S.E. Consulting, bei der Eröffnung des diesjährigen HSK.
  • Bild 4 von 4
    © WISO/Susanne Schmidt-Dominé
    Prof. Karl Max Einhäupl, neuer Kongresspräsident des HSK, bei seiner Eröffnungsrede im Juni 2021 in Berlin.

Dürfen wir denn ein gänzlich neues HSK-Konzept erwarten?

Kaufmann: So wie es aussieht, wird es eine neue Tagungsstätte innerhalb der Messe Berlin geben. Dort bekommen wir alles unter, was es auch im CityCube schon gab. Nur nicht auf drei, sondern auf zwei Etagen. Wir arbeiten schon jetzt an neuen Programmformaten und Foren. Diskussionen unter Einbeziehung des Publikums sollen noch mehr in den Vordergrund gestellt werden. Und das neue Ausstellungsforum wird sicherlich mit mehreren Überraschungen aufwarten. Der Hauptstadtkongress bleibt das zentrale Event des deutschen Gesundheitswesens. Kommunikation, Netzwerken, Mitgestaltung, sich zeigen – dies werden immer die Markenkerne des Kongresses sein. Es gilt aber, durch neue Formate und neue Kommunikationswege zusätzliche Potenziale zu heben. Natürlich muss der HSK für Nachwuchskräfte, für Start-ups, für internationale VIPs, aber auch für Wirtschaftsbereiche, die nicht originär aus der Welt der Gesundheitsversorgung kommen, noch attraktiver werden. Mehr kann ich aber jetzt noch nicht verraten …

Schauen wir ins Jahr 2022: Deutschland hat eine neue Regierung: Was hat sich im Gesundheitswesen getan, worüber werden wir auf dem HSK 2022 sprechen?

Kaufmann: Im Juni 2022 wird die neue Bundesregierung schon ein gutes halbes Jahr im Amt sein. Der HSK wird quasi zum ersten Lackmustest, was die Programmatik der Regierung angeht. Auf die zu erwartenden Streitgespräche können wir uns jetzt schon freuen. Darüber hinaus werden die Themen Innovationen, Digitalisierung sowie die dauerhaft relevanten Themen Personalgewinnung und Finanzierung definitiv wieder ihren Platz haben. Vieles davon in neue Formate gekleidet und mit neuen Gesichtern. Es wird also spannend, und wir freuen uns darauf!

Einhäupl: Der diesjährige Kongress stand ja unter dem Zeichen der Corona-Krise. Wir mussten vieles lernen und Schwächen identifizieren, das ist unsere Pflicht, ebenso wie daraus neue Stärken abzuleiten. Diese Aufgabe wird uns sicherlich auch noch die kommenden Jahre beschäftigen. Aber andere wichtige medizinische Themen sind dabei beinahe in den Hintergrund getreten, obwohl sie dringend und wichtig sind. Wir werden die Balance zwischen Corona und den anderen Themen wie Krankenhausfinanzierung, Pflege usw. finden und gemeinsam Antworten auf die drängendsten Fragen der Gesundheitsversorgung suchen.

Vielen Dank für das Gespräch.