Klimagutachten +++ aktualisiert +++ Studie untersucht Klimaschutzmaßnahmen in deutschen Krankenhäusern

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Durch Klimawandel und extreme Energiekostensteigerungen steht das Thema Energieeffizienz in Krankenhäuser ganz oben auf der Agenda. Welchen Beitrag leisten diese bereits zur Energiewende und welchen könnten sie leisten? Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und das Deutsche Krankenhausinstitut (DKI) stellen Gutachten zum Klimaschutz vor.

Maßnahmenfelder der DKI-Analyse im Überblick. – © Screenshot HCM/www.dkgev.de

Fehlende Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen und bislang nicht vorhandene politische Unterstützung haben den Klimaschutz in den Krankenhäusern ausgebremst. Das ist das Ergebnis einer Studie des DKI für die DKG.

In einer bundesweiten Krankenhausbefragung wurde ein Einblick in klima- und energierelevante Daten von 264 Krankenhäuser geliefert. Zahlreiche Erkenntnisse zum Status quo und den Maßnahmen in den Bereichen

  • Anpassungsstrategie,
  • Energiemanagement und Nutzerverhalten,
  • Strom, Wasser-, Wärme- und Kälteversorgung sowie
  • Abfallmanagement

wurden bereits in einem ausführlichen Studienbericht im Juli 2022 veröffentlicht. Zusätzlich identifiziert die Studie mehr 100 Klimaschutzmaßnahmen, um die Klimabilanz von Krankenhäusern zu verbessern.

Update des Studienberichts zum Klimaschutz in deutschen Krankenhäusern

Im September 2022 wurden aufgrund der aktuellen Preissteigerung auf dem Energiemarkt zusätzlich

  • Verbrauchskennzahlen und
  • Kosten zur Erdgasversorgung

der Krankenhäuser erfasst. Diese Ergebnisse basieren auf den Angaben von 123 Krankenhäusern, die an ihren Standorten Erdgas nutzen.

Zum DKI-Gutachten

Das aktualisierte Gutachten „Klimaschutz in deutschen Krankenhäusern: Status quo, Maßnahmen und Investitionskosten“ inklusive der aktuellen Daten zur Erdgasversorgung der Krankenhäuser finden Interessierte mit einem Klick hierauf. Enthalten sind darin auch die Informationen zu mehr als 100 Klimaschutzmaßnahmen.

Klimaschutz braucht verlässliche Finanzierungsgrundlage: Länder sind gefordert

Seit zwei Jahrzehnten leiden die deutschen Krankenhäuser unter der dramatischen Unterfinanzierung der Investitionsförderung. Diese werde trotz gesetzlicher Pflicht von den Ländern nicht geleistet. Jährlich fehlen über drei Milliarden Euro. Diese Mangelwirtschaft der Politik habe zu massiven Defiziten bei der baulichen Infrastruktur, der Medizintechnik, der Digitalisierung und auch beim Klimaschutz geführt. Klimaschutz in Krankenhäusern könne einen bedeutsamen Beitrag zur Reduktion von Treibhausgasen leisten. Insgesamt werden rund fünf Prozent des nationalen Ausstoßes dem Gesundheitswesen zugeschrieben. Ein Großteil davon entfällt auf die Krankenhäuser.

„Krankenhäuser sind ähnlich wie die Deutsche Bahn deutlich unterinvestiert. Wir stehen jetzt vor einem großen Berg an Aufgaben.“

Dr. Gerald Gaß, DKG-Vorstandsvorsitzender
Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der DKG. – © Screenshot HCM/www.dkgev.de

Klimaschutz steht auf der strategischen Agenda vieler Krankenhäuser:

  • 71 Prozent der befragten Krankenhäuser sehen die Notwendigkeit und gaben an, dass der Klimaschutz in ihre Anpassungsstrategie zum Klimawandel einfließt.
  • 38 Prozent der Häuser haben Leitlinien und Zielvorgaben zur Energieeinsparung und Nachhaltigkeit etabliert.
  • 30 Prozent beschäftigen Klimamanager.

Daneben werden häufig unterschiedliche Einzelmaßnahmen eingesetzt, etwa im Bereich der Wärmedämmung, der Müllvermeidung oder beim Monitoring von Verbrauchskennzahlen. „Krankenhäuser können als Großverbraucher einen spürbaren Beitrag zum Klimaschutz leisten, indem sie in Technik und Prozesse investieren. Die seit Jahrzehnten unzureichende Investitionskostenfinanzierung zwingt Krankenhäuser allerdings dazu, die knappen Mittel vorrangig für die notwendigsten Anschaffungen in der direkten Patientenversorgung zu verwenden. Deshalb ist bei der CO2-Neutralität vieles liegengeblieben. Die Krankenhäuser benötigen ein Investitionsprogramm für den Klimaschutz, um die vorhandenen Potenziale zu heben“, erklärt der DKG-Vorstandsvorsitzende Dr. Gerald Gaß.

Potenzial für Klimaschutz ausschöpfen

Aktuell ist das Klimaschutzpotenzial der Krankenhäuser noch nicht ausgeschöpft: 63 Prozent der befragten Kliniken sehen Verbesserungsmöglichkeiten im Bereich der Energie- und Stromversorgung. Bei der Wärmeversorgung sieht jedes zweite Krankenhaus Handlungsbedarf, etwa bei den technischen Anlagen, der Wärmerückgewinnung und dem Primärenergiemix. Erneuerbare Energien kommen zwar zum Einsatz, jedoch nur in begrenztem Umfang. Auch in anderen Maßnahmenfeldern z.B.

  • bei der Kälte- und Wasserversorgung oder
  • durch den kontrollierten Einsatz von klimaschädlichen Narkotika

gäbe es noch viel Potenzial.

Gas-Krise könnte Kliniken vor entscheidende Engpässe stellen

Im Rahmen der Untersuchung wurden auch zentrale Kennzahlen der Wärmeversorgung abgefragt. Bei den genutzten Energieträgern dominierte Erdgas mit 92 Prozent, Fernwärme und leichtes Heizöl waren als Energieträger bei rund der Hälfte der Kliniken im Einsatz. Angesichts der aktuellen Gas-Krise warnt der DKG-Vorstandsvorsitzende vor einem Kollaps der Kliniken durch entstehende Engpässe im kommenden Herbst und Winter. „Unerlässlich ist, dass Krankenhäuser als Teil der kritischen Infrastruktur vorrangig mit Gas beliefert werden. Die Arbeitsfähigkeit eines Krankenhauses hängt aber auch von zahlreichen Zulieferbetrieben ab. Wäschereien, Küchen und andere Betriebe, die Krankenhäuser versorgen, müssen ebenso vorrangig versorgt werden, um den Klinikbetrieb aufrechterhalten zu können“, betont Gaß.

„Die drohenden Energiepässe lösen auch in den Kliniken in NRW große Sorgen aus. Die Kosten für Erdgas steigen für die Häuser mitunter um das Achtfache in 2023 verglichen mit 2020. Hinzu kommen die gestiegenen Preise in weiteren Bereichen, wie z.B. für die Patientenverpflegung und Medizinprodukte. Doch diese massiven Kostensprünge werden bisher nicht refinanziert. Die Einrichtungen benötigen für das laufende und für das kommende Jahr eine kurzfristige Lösung. Sonst laufen wir Gefahr, dass die Krankenhäuser als ein wesentlicher Teil der Gesundheitsversorgung nur noch eingeschränkt zur Verfügung stehen.“

Matthias Blum, Geschäftsführer KGNW
Matthias Blum, Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft NRW (KGNW). – © Wilfried Meyer/KGNW

Finanzpolitische Lage der Kliniken verschärft sich durch geopolitisch bedingte Entwicklungen

Eine DKI-Blitzumfrage von Oktober 2022 bestätigte die dramatische Lage. Kliniken haben kurzfristig keine oder nur relativ geringe Einsparmöglichkeiten beim Gas. Versorgungsengpässe oder massive Preissteigerungen werden die Krankenhäuser mit voller Wucht treffen. Mehr als die Hälfte der Krankenhäuser erwartete in 2022 noch höhere Preise bei Gas und Strom. Viele Kliniken haben noch Verträge mit ihren Gasversorgern, die befristete Preisbindungen oder -obergrenzen vorsehen. Mit Auslaufen dieser Verträge sind enorme Preissprünge zu erwarten. Schon 2022 waren

  • 43 Prozent der Kliniken bei Gas und
  • 45 Prozent bei Strom

von Preissteigerungen betroffen. Diese sind durch die Preise für die Patientenbehandlung längst nicht mehr gedeckt. Die gesetzlich gedeckelte Preissteigerung bei den Fallpauschalen betrug letztes Jahr 2,32 Prozent.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Energiekrise bleibt der Umwelt- und Klimaschutz ein vorrangiges Ziel der Krankenhäuser. Die mehr als 100 Klimaschutzmaßmaßnahmen betreffen laut Studie Handlungsfelder wie

  • Nutzerverhalten,
  • Klimafolgenanpassungen, Abfall- und Energiemanagement.
  • Energie und Strom.

Maßnahmen zum Energiemanagement, Nutzerverhalten und Klimafolgeanpassungen

1. Nutzungsverhalten
– Prozesse an das Verhalten der Nutzenden anpassen (z.B. Standardeinstellung von Geräten, digitalisierte Dokumentation)
– Abfalltrennkultur, Vermeidung von Fehlwürfen (z.B. farbliche Markierungen, entsprechende Behälter)
– Regelmäßige Information, Aufklärung und Motivation des Personals
– Sensibilisierung und Schulung der Mitarbeitenden

2. Energiemanagement
– Beim Strombezug auf weniger CO2-ausstoßende Brennstoffe zurückgreifen
– Eigenerzeugung Strom (z.B. PV-Anlagen)
– Verstärkter Einsatz von erneuerbaren Energien

3. Umsetzung
– Reduktion Beleuchtung
– Energiesparende Lichtkonzepte
– Laufzeitoptimierung der Raumlufttechnik
– Lastspitzenverteilungsmanagement
– Einsatz von Zeitschaltungen oder Präsenzmeldern (z.B. bei der Klimatisierung von Räumen)

Quelle: Studie DKI im Auftrag der DKG

Reduzierung des Bedarfs an Primärenergie

In diesem wichtigen Feld Energie und Strom gilt es, den Primärenergiebedarf zu reduzieren, z.B. durch den Einsatz von Erdwärmesonden. Die Laufzeitoptimierung von raumlufttechnischen Anlagen sowie Zeitschaltungen und Präsenzmelder bietet die größten Möglichkeiten, kurzfristig Energie und Strom einzusparen. Die Ausgliederung der Energieversorgung an externe Dienstleister (Contracting) soll dazu beitragen, dass Krankenhäuser sich schnell und effizient energetisch sanieren können.

Die energetische Sanierung von Krankenhäusern in Deutschland erfordert zusätzliche Investitionsmittel in großem Umfang.

„Sollten alle individuell möglichen Maßnahmen umgesetzt werden, wären Investitionen im mittleren zweistelligen Milliardenbereich nötig.“

Dr. Gerald Gaß

Für diese Investitionen solle ein Krankenhaus-Klimaschutzfonds gebildet und gemeinsam von Bund und Ländern finanziert werden. Klimaneutralität stelle dabei das anzustrebende und nachhaltigste Zielszenario dar. Sofern geringere Mittel zum Einsatz kommen, bleibe dieses Ziel jedoch außer Reichweite.

Gaß begrüßt die Initiative in Bayern zur Klimaertüchtigung von Krankenhäusern, die in den Bundesrat eingebracht wurde. Er sieht das vorgesehene Investitionsvolumen des auf drei Jahre befristeten Förderprogramms von jährlich 500 Millionen, also insgesamt 1,5 Milliarden Euro, als zu gering an.

Dr. Anna Levsen, Senior Research Managerin Deutsches Krankenhausinstitut e.V. (DKI). – © Screenshot HCM/www.dkgev.de

Erhebung zum Klimaschutz in deutschen Krankenhäusern

Dr. Anna Levsen vom DKI präsentierte den Forschungsauftrag, die Forschungsziele und den theroretischen Hintergrund zur Studie.

Die Hauptkriterien bei der Erhebung waren:

  1. Status quo: Verbrauchskennzahlen deutlich machen, ermitteln
  2. Ableitung von Klimaschutzmaßnahmen: den Krankenhäusern eine Handlungsempfehlung an die Hand geben
  3. Abschätzung der Investitionskosten
  4. Fragebogenerhebung und Rückläufe

Die Fragebögen zur Studie wurden an 1.399 Krankenhäuser versendet. Mehr Infos zur Studie finden Interessierte mit einem Klick hierauf.

Holetschek begrüßt DKG-Forderung zum Klimaschutz in Krankenhäusern

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek unterstützt die Forderung der DKG nach einem Klimaschutzfonds für die Krankenhäusern. Holetschek betonte: „Wir müssen unsere Kliniken bei der Anpassung an den Klimawandel unterstützen und sie effizienter, ressourcenschonender und klimafreundlicher gestalten.“

Bayern hat hierzu bereits die Initiative zur Klimaertüchtigung von Krankenhäusern in den Bundesrat eingebracht. Der Bund soll ein auf drei Jahre befristetes Förderprogramm mit einem Volumen von jährlich 500 Millionen Euro auflegen, also insgesamt 1,5 Milliarden Euro. Damit könne man die Investitionen anstoßen, die nötig sind, um die Kliniken fit zu machen für eine klimaschonende Zukunft.

„Die Investitionen zahlen sich gleich mehrfach aus: Durch die Senkung des Energieverbrauchs schützen wir das Klima und senken zugleich die hohen Energiekosten, die für die Kliniken zunehmend zu einer massiven Belastung werden. Damit machen wir uns nicht zuletzt unabhängiger von ausländischen Energieimporten.“

Klaus Holetschek, Bayerischer Gesundheitsminister