HCM Academy Nachhaltigkeit beim Einkauf – ressourcenschonende Beschaffung im Krankenhaus

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Einkauf und Nachhaltigkeit

Das Beschaffungsmanagement im Krankenhaus muss höchsten Anforderungen entsprechen: Qualität, Menge, Lieferzeit – all das muss passen. Auch das Thema Nachhaltigkeit sollte nicht vernachlässigt werden. Was es zu beachten gilt.

Nachhaltigkeit
Das Thema Nachhaltigkeit sollte bei dem Einkauf und der Beschaffung in Gesundheitseinrichtungen nicht vernachlässigt werden. – © narawit (stock.adobe.com)

Im Webinar „Nachhaltiger Einkauf – Ressourcenschonende Beschaffung im Krankenhaus“ der HCM Academy am 8. März 2023 setzte Jens Leveringhaus, Vorstandsvorsitzender der P.E.G., Impulse, um Einkaufsprozesse nachhaltigkeitsbewusst anzupassen. Die vor mehr als 50 Jahren gegründete Einkaufs- und Betriebsgenossenschaft ist darauf spezialisiert, Einrichtungen im Gesundheitswesen zu unterstützen und auf dem Weg zu Klimaneutralität zu beraten. Leveringhaus verfügt über mehr als 30 Jahre Erfahrung im Gesundheitssektor.

Die Krankenhäuser im deutschen Gesundheitswesen haben mit vielen Problemen beim Einkauf und der Beschaffung zu kämpfen, wie

  • gestörte Lieferketten,
  • nicht vorhandene Warenverfügbarkeiten,
  • geopolitische Veränderungen,
  • Inflation sowie
  • gestiegene Energiepreise.

Auch die Folgen der Pandemie spüren die Gesundheitseinrichtungen noch immer, beispielsweise beim Personalmangel. Der größte und sicherlich spannendste Aspekt für die Einrichtungen wird die Krankenhausreform sein.

Wie sieht die Zukunft aus in Bezug auf Nachhaltigkeit?

In der Vergangenheit war in Gesprächen mit Verantwortlichen immer das Thema, dass nachhaltige Produkte teuer sind. Dies solle zukünftig nicht mehr so sein. Der Gesetzgeber hat einen Weg gefunden, den Hebel der Nachhaltigkeit in der kompletten Wirtschaft und nicht nur im Gesundheitswesen anzusetzen. Schlagwort ist das Regelwerk der Taxonomie – hier geht es um die wirtschaftliche Bewertung von Nachhaltigkeitskriterien in Unternehmen. Dabei geht es um die Themen

  • Ökologie
  • Soziales und
  • Ökonomie.

Dies bedeutet, dass man auf dem Kapitalmarkt nur noch Kredite beantragen kann, wenn man sich als Gesundheitsunternehmen nachhaltig aufstellt. Dafür müssen auch die entsprechenden Beweise erbracht werden. Das gleiche gilt auch für Fördermaßnahmen. In diesem Kontext werden auch der Einkauf und das Beschaffungswesen gefordert sein.

Was versteht man unter Nachhaltigkeit?

Nachhaltigkeit beschreibt die Gegenwarts- und Zukunftsverantwortung. Dies bedeutet auch mehr als Umweltschutz, es bezieht auch die ökonomischen und sozialen Gegebenheiten mit ein.

„Nachhaltigkeit ist das Gegenteil von Nachlässigkeit.“

Jens Leveringhaus

Nachhaltigkeit
Die Abbildung zeigt die drei wichtigen Aspekte der Nachhaltigkeit auf. – © Screenshot HCM/Vorstand P.E.G. – Jens Leveringhaus

Klimawandel und der Gesundheitssektor

Die Gesundheitseinrichtungen sind für ca. fünf Prozent des deutschen Treibhausgas-Ausstoßes verantwortlich. Durch eine Reduktion der Umweltbelastung um 50 Prozent kann die Leistung im Gesundheitsbereich gleichbleiben, erläuterte Leveringhaus. Dem Einkauf und der Beschaffung im Gesundheitssektor komme hier eine wichtige Bedeutung zu.

Die Risiken, die für Gesundheitseinrichtungen mit dem Klimawandel einhergehen sind u.a.

  • Rohstoffpreisschwankungen,
  • Angebotsschwankungen,
  • Störungen in der Lieferkette,
  • steigende Betriebskosten sowie
  • geopolitische Risiken.

Nachhaltigkeitsbericht soll verpflichtend werden

Ab 2025 müssen Einrichtungen mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen. Im Jahr 2026 müssen Häuser mit 1.000 Mitarbeitenden berichten, ab 2028 Einrichtungen mit 500 Mitarbeitenden und 250 Millionen Umsatz. Das ist die nationale Gesetzgebung. Hier wird dem Einkauf eine große und wichtige Rolle zukommen, um die entsprechenden Daten zu liefern.

Nachhaltiger Einkauf

In der ISO 20400 ist nachhaltiger Einkauf so definiert: Beschaffung, die die bestmögliche Auswirkung auf Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft über den gesamten Lebenszyklus hat. Der Einkauf ist mit einer zunehmenden Komplexität konfrontiert:

  • Kostendruck: Kostenvorgaben erhöhen den Druck auf Einkäufer, preisgünstiger zu beschaffen. Qualitätsanforderungen und Nachhaltigkeitskriterien könnten in den Hintergrund geraten.
  • Komplexitätsreduzierung: Interne Standardvorgaben sind zu erarbeiten und ggf.mit einer Beschaffungssituation abzustimmen.
  • Strategischer Einkauf: Systempartnerschaften mit Herstellern erfordern Neubewertung der Prozesskosten.

Marktforschung Nachhaltigkeit
Die P.E.G. hatte im Sommer 2021 eine eigene Marktforschung durchgeführt mit der Fragestellung „Welchen Stellenwert hat das Thema Nachhaltigkeit im Gesundheitssektor?“. – © Screenshot HCM/Vorstand P.E.G. – Jens Leveringhaus

Welche Bedeutung hat Nachhaltigkeit für den Einkauf?

Durch die massiven Auswirkungen von Scope 3 (s. Abb. Emissionskategorien) auf die Emissionslast wird deutlich, dass der Einkauf im Gesundheitswesen einen elementaren Beitrag zur Reduktion der Emissionslast beitragen kann. Aber was genau bedeutet dies für die Beschaffung in Gesundheitseinrichtungen? Bei nachhaltiger Beschaffung geht es um Beschaffung benötigter Produkte, Dienstleistungen und Güter unter Berücksichtug der Nachhaltigkeitskriterien. Dies bedeutet für den Einkauf, dass im Gesamtunternehmen ein Umdenken stattfinden muss. Die Lieferketten müssen beachten werden, u.a. das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Und dies alles, ohne Qualitätseinbußen in Kauf nehmen zu müssen.

Implementierung des Nachhaltigkeitsgedanken

Wie kann ich diesen in einer Organisation implementieren? Es gibt viele Aktivitäten, diese sind aber nicht einer Strategie untergeordnet. Die wenigsten Gesundheitseinrichtungen haben eine Unternehmensstrategie für Nachhaltigkeit. Wesentliche Aspekte hierfür sind u.a.

  • Nachhaltigkeit in der internen und externen Kommunikation verankern,
  • Nachhaltigkeit stringent im Unternehmen platzieren,
  • gemeinsam mit dem Team Schritt für Schritt angehen und Maßnahmen festlegen,
  • Beschaffungsrichtlinie, die nachhaltige Lieferanten- und Produktauswahl beschreibt,
  • Mitarbeitenden für das Thema sensibilisieren und schulen sowie Anreize zur Umsetzung schaffen (z.B. Care sharing).

Wie setze ich das Thema Nachhaltigkeit im Einkauf um?

Für den Nachhaltigkeitsprozess einer Gesundheitseinrichtung gibt es vieles zu beachten. Die sieben Schritte zur Entwicklung einer nachhaltigen Beschaffungsstrategie sind u.a.

  1. Erstellen eines Nachhaltigkeitsprogramms, als Fortführung der Nachhaltigkeitsstrategie.
  2. Benennung von Nachhaltigkeitsverantwortlichen für den Einkauf.
  3. Nachhaltigkeitsaspekte in die operative und strategische Beschaffungsprozesse integrieren.
  4. Erstellen eines Supplier Code of Conducts und Integration in die Lieferverträge.
  5. Schaffen von Transparenz in der Lieferkette.
  6. Erstellung eines jährlichen Nachhaltigkeitsberichtes der Beschaffung.
  7. Erfolgskontrolle (entsprechendes Nachhaltigkeitscontrolling).

Die Nachhaltigkeitsaspekte sollten in die Beschaffung integriert und der Fokus auf die wichtigen Warengruppen gelegt werden, z.B. in welchen Warengruppen wird am meisten Treibhausgas produziert oder wo wird am meisten Wasser verbraucht? Wichtig hierbei sei immer die Kommunikation bzw. der Austausch zwischen den Abteilungen bzw. den Einrichtungen.

Nachhaltigkeit im Kontext zu Ausschreibungen

Die Nachhaltigkeitskriterien können an verschiedenen Stellen in Ausschreibungen eingebunden werden, beispielsweise bei der Festlegung des Auftragsgegenstandes und bei den Anforderungen an den Bieter. In der Leistungsbeschreibung können Sozial- und Umweltkriterien der Leistung bzw. des Produkts aufgenommen werden. Beispiele für Leistungskriterien sind u.a.

  • begrenzter Energieverbrauch,
  • Langlebigkeit,
  • Reduktion von schädlichen Stoffen,
  • Reparaturfähigkeit,
  • ressourcenschonender Materialeinsatz sowie
  • Recyclingfähigkeit.

Die Ausschreibung könne dazu dienen, die eigene Nachhaltigkeitsstrategie in die Umsetzung zu bringen. Weitere Informationen zu Ausschreibungen finden Interessierte auch beim Umweltbundesamt.

Lieferantenklassifizierung

Eine Übersicht über die Nachhaltigkeitsbestrebungen der eigenen Lieferanten kann mit der Umstellung auf Lieferantenverträge oder losgelöst erfolgen. Ein Weg hier kann z.B.

  • Onlinerecherche,
  • persönliche Befragung oder
  • die Erhebung von Daten durch einen Fragebogen

sein. Die P.E.G. hat hierzu erstmalig 2021 eine Befragung durchgeführt. Diese wird jedes Jahr aktualisiert. Weitere Infos finden Interessiert auch beim Umweltatlas.

Ein weiterer Punkt neben der Lieferantenklassifizierung ist auch die Bewertung der Nachhaltigkeitssiegel. Diese müssen auf Aussagekraft und Qualität hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeitsaspekte geprüft werden. Es gibt viele Siegel. Hier ist es wichtig zu unterscheiden, welches ein anerkanntes Siegel mit entsprechenden Kriterien ist, die hinterlegt sind. Diese müssen sich immer wieder Prüfungen unterziehen.